Der Vogelkönig

„Bilder denkt man sich nicht vorher aus und zeichnet sie dann, sie werden beim Zeichnen gedacht. Diese schlichte Tatsache bezeichnet Paul Klee als Striche spazieren führen, eine, wie ich finde, passende Beschreibung meiner Arbeitsweise: die Spitze des Bleistifts durch die Landschaft des Skizzenblocks wandern lassen, von nichts anderem motiviert als dem vagen Versprechen, am Wegrand etwas Interessantes zu finden“, schreibt Shaun Tan in der Einleitung dieses Skizzenbuchs.

Das Buch enthält Arbeiten aus den letzten zwölf Jahren. Wenn man es durchblättert, versteht man in der Tat einiges mehr von der Arbeitsweise des Australiers. Er lässt sich meist von seinen Figuren zu einer Geschichte inspirieren und geht nur selten den umgekehrten Weg – nämlich den, erst eine Geschichte zu haben, und sich dann die Figuren dazu auszudenken. Anders käme man sicherlich auch nicht auf solch schräge Comics wie Die Fundsache, irrwitzige Stories wie Geschichten aus der Vorstadt des Universums oder geniale Alben wie Ein neues Land.

So gesehen war es eine gute Idee, dieses Buch zu machen. Allerdings wirken Tans Arbeiten da am besten, wo die Seiten komplett durchkomponiert sind – wie die Doppelseite am Anfang des Buches. Vom integrierenden Hintergrund gelöst, verlieren seine Figuren Lebendigkeit. Manche Skizzen sind so wunderschön wunderlich, wie man das aus seinen Alben kennt. Andere wirken langweilig und nichtssagend. Manche Seite würde man sich größer wünschen. Also ein sehr gemischter Eindruck, den dieses Buch hinterlässt. Für Illustratoren, Grafiker und hundertzehnprozentige Tan-Fans sicher inspirierend. Für alle anderen eher nicht. Schöner ist das Skizzenbuch, das Carlsen zusammen mit dem Album Ein neues Land aufgelegt hat.

Shaun Tan: Der Vogelkönig und andere Skizzen
136 Seiten, gebunden, 24,90 Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-51759-3
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