
Jean-Pierre Gibrat hat schon in seinen Zweiteilern Der Aufschub und Diebe und Denunzianten bewiesen, dass er ein ebenso guter Erzähler wie begnadeter Zeichner ist. Die Farben, das fast schon poetische Spiel mit Licht und Schatten, das Gefühl für die zarten Zwischentöne und seine rundum sympathischen Hauptfiguren machen seine Alben immer wieder zu einem Erlebnis. Nicht zuletzt deshalb, weil seine Geschichten in einem interessanten politischen Umfeld angesiedelt sind und die Akteure dabei eigensinnige Wege gehen.
In seiner sechsteiligen Reihe Mattéo erzählt Gibrat von einem jungen Mann, dessen Vater wegen anarchistischen Aktivitäten aus Spanien nach Frankreich fliehen musste. Dort lebt Mattéo in einem kleinen Ort, als der Erste Weltkrieg ausbricht. Die Siegesbesoffenheit der Franzosen, die glauben, bis Weihnachten in Berlin zu stehen, kann er nicht teilen. Da er spanischer Staatsbürger ist, wird er bei der Mobilmachung nicht eingezogen.
Das kommt bei den älteren Dorfbewohnern nicht gut an. Sie behandeln ihn als Drückeberger. Ihm wäre das im Prinzip egal, aber da ist die schöne Juliette, in die er verliebt ist, die ihm aber dauernd von Guillaume, dem Sohn des Gutsbesitzers, vorschwärmt. Als der dann auch noch zu den Fliegern geht und damit eine Art Heldenstatus erreicht, ist Mattéo klar: Für mich führt die Rückeroberung Juilettes immer noch über die des Elsass und die von Lothringen. Und meldet sich als Freiwilliger an die Front.
In den Folgebänden verschlägt es Mattéo nach Petersburg, um die beginnende Revolution in Russland zu unterstützen, und auch im Spanischen Bürgerkrieg mischt er mit. Überall ist er in die Konflikte zwischen Kommunisten und Anarchisten involviert, wobei er eher zur anarchistischen Seite tendiert, weil er feststellt: Die Kommunisten teilen alles, außer der Macht. Zwischendurch gibt es immer wieder Stippvisiten in der Heimat, um seine geliebte Juilette zu sehen, die sich allerdings anderweitig orientiert. Eine unterhaltsam und abwechslungsreich erzählte, in starken Bildern in Szene gesetzte Abenteuer-Serie mit politischem Background, deren abschließender sechster Band jetzt vorliegt.
Jean-Pierre Gibrat: Mattéo
6 Bände, je 64 bis 76 Seiten, gebunden, 15,- bis 19,- Euro, Salleck Publications