Der Untergang des Hauses Usher

Der amerikanische Autor Edgar Allan Poe erzählt in seiner erstmals 1839 erschienenen Kurzgeschichte in der für ihn typischen Mischung aus grotesken Situationen, subtilem Horror und spannungsgeladenen Sprachkaskaden von menschlichen Urängsten und vom Kampf des Geistes gegen dunkle Triebe, sinniert aber auch auf zart-poetische Weise über Freundschaft, Empathie und eine Liebe über den Tod hinaus. Ein dringlicher Brief führt rasch in das grauenhafte Geheimnis. Ein Freund ist krank und verwirrt, seine Schwester stirbt und wird doch lebendig begraben. »Der Untergang des Hauses Usher« ist eine Erzählung zum Fürchten und ein glänzendes Beispiel für die tiefschwarze Romantik im Gewand einer Gothic Fiction. (Verlagstext)

Unter dem Label Dust Novel sind in der Edition Faust von dem kalabrischen Maler Andrea Grosso Ciponte zahlreiche literarische Werke der Romantik als Graphic Novel adaptiert worden. Mit dabei sind Walpoles Schloss Otranto, Hoffmanns Sandmann, Schillers Geisterseher, Storms Schimmelreiter, Goethes Faust, und nicht zuletzt die traumhaft schöne Adaption von Kleists Marquise von O. Alle Bände sind in verschiedenen Stilen gezeichnet. Eine spannende, abwechslungsreiche Sammlung in eigenwilligen Bildern.

Auch für Poes Usher hat Ciponte Motive gefunden, die die Atmosphäre der Erzählung treffend einfangen. Eine Mischung aus verfremdeten Fotos und Bilder, durch deren morbide Ästhetik der nackte Wahn schimmert. Modernde Gewölbe, in deren Innern nichts Gutes haust. Gestalten, die an Figuren von Hieronymus Bosch erinnern. Es ist streckenweise beklemmend, dieses Album zu lesen – und im Gegensatz zu den meisten Comics, die hierzulande unter dem Label Horror laufen, wirklich creepy. Eine Graphic Novel für Leser, die eigenwillige Interpretationen und kreative Experimente schätzen.

A. G. Ciponte, D. Palmerino, E. A. Poe: Der Untergang des Hauses Usher
Aus dem Italienischen von Myriam Alfano
64 Seiten, gebunden, 24,- Euro, Edition Faust, ISBN 978-3-949774-13-3

Carmilla

Ein Comic über die erste Vampirin der Welt: New York City wird von einer Mordserie an jungen Frauen erschüttert. Zumindest wäre das wohl der Fall, wenn die Frauen nicht queer und obdachlos wären, denn außer der Sozialarbeiterin Athena scheint sich niemand für die Vermissten zu interessieren. Ihre Nachforschungen führen sie zum mysteriösen Nachtclub »Carmilla« im Herzen ihres eigenen Viertels, Chinatown. Dort weckt eine junge, attraktive Fremde ihr Interesse. Athena fühlt eine unerklärliche und unheimliche Faszination gegenüber der Frau ohne Namen… und wird hineingezogen in einen Horrorroman, in dem sie selbst die Hauptrolle spielt. Auf den Spuren des genredefinierenden Romans »Carmilla« von Sheridan Le Fanu erzählen Amy Chu und Soo Lee eine moderne Horror-Story über Identität, Obsession und Familiengeheimnisse. Dabei verschmelzen sie Elemente westlichen und fernöstlichen Grusels zu einer Vampirgeschichte, die zugleich altvertraut und vollkommen neu ist. (Verlagstext)

Als Horror-Roman würde ich diesen Band nicht bezeichnen – eher als spannenden Mystery-Krimi. Um Vampire geht es aber tatsächlich, und um Wesen aus fernöstlichen Mythen. Das kommt auch in den Zeichnungen rüber, in denen Soo Lee ähnlich wie Sana Takeda in Night Eaters gelegentlich asiatischen Look mit typischem US-Stil mischt.

Spannung kommt auf, als Athena herausfindet, dass die ermordeten Mädchen alle etwas mit dem Nachtclub Carmilla zu tun hatten. Deren gleichnamige Besitzerin seltsamerweise nie anzutreffen ist. Der Club liegt in der Doyers Street – keine Gegend für Kuraufenthalte. Da trifft es sich, dass Athena als Kind von ihrem Großvater bis zum Erbrechen in Tai Chi gedrillt wurde. Aus gutem Grund übrigens. Ungünstig dagegen ist, dass sie sich auf eine Affäre mit einer Clubangestellten eingelassen hat. Es gilt also allerlei Rätsel zu lösen – und sich den Drachen seiner Vergangenheit zu stellen.

Soo Lee, Amy Chu: Carmilla – Die erste Vampirin
Aus dem amerikanischen Englisch von Karin Aust
112 Seiten, gebunden, 22,- Euro, Splitter, ISBN 978-3-98721-192-8
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Die Leiche und das Sofa

Ein typischer Fantasy vom Meister des Makabren: Ein Junge namens Christian ist verschwunden, und niemand in der Stadt geht mehr zum Spielen nach draußen … außer Polo, der lieber die großen Weiten der grünen Wiesen in seiner Umgebung erkundet. Dort trifft er auf Sophie, mit der er sich auf die Spuren des Geheimnisses um Christians Tod begibt, als sie seinen leblosen Körper mitten im Nirgendwo entdecken. Sie verbringen den Sommer damit, den Verfall des Leichnams auf einem alten Sofa zu beobachten, das irgendwie mit diesem verbunden zu sein scheint. Außerdem sollen sich zu dieser Geschichte seltsame Menschen und sogar Werwölfe gesellen. (Verlagstext)

Makaber und morbide – das ist der Stil von Tony Sandoval (Wasserschlangen, Doomboy, Volage, 1000 Stürme), und das ist auch dieses Album. Sophie zum Beispiel: Polo ist ziemlich verknallt in sie. In ihrem düsteren Gothic-Outfit sieht sie echt klasse aus – erinnert Polo aber auch an Vampire. Und an die Werwölfe, die er hier gelegentlich rumschleichen sieht – oder sich nur einbildet, zu sehen? Dazu gibt es überraschende Wendungen, die nichts mit den Wesen der Nacht zu tun haben, sondern irdischen Ursprungs sind.

All das macht die Story rätselhaft und spannend – und um Längen besser als sein voriges Album Volage (das nicht von ihm, sondern von Desberg geschrieben wurde). Hinzu kommen zärtliche und poetische Elemente, die auch in diesem Band nicht fehlen. Seine Figuren dagegen hat er etwas angefüttert. Sie sind nicht mehr ganz so anorektisch wie bisher, und die Bilder sind nach wie vor klasse. Sandoval-Fans können mit diesem Album nichts falsch machen. Freunde schräger Geschichten auch nicht.

Tony Sandoval: Die Leiche und das Sofa
Übersetzung: Martin Knopp
95 Seiten, gebunden, 25,- Euro, CrossCult, ISBN 978-3-98666-216-5