Die Grube

Aus der Abteilung Psychohorror: Um den tragischen Tod ihres kleinen Sohns zu verarbeiten, beschließt das Ehepaar Gruber einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen: raus aus der Stadt ziehen, um den abgelegenen Familienwohnsitz eines verstorbenen Onkels zu renovieren. Der Umzug verläuft reibungslos, aber was bedeuten die merkwürdigen Zeichen, die auf den Bäumen im Garten eingeritzt sind? Womit hat sich der kaum gekannte Onkel beschäftigt? Nach und nach sickert ein übernatürliches Grauen in das scheinbare Landhausidyll der Grubers … (Verlagstext)

Der niederländische Illustrator Erik Kriek (Der Verbannte, Murder Ballads, Vom Jenseits) versteht es, dem Leser eine stetig wachsende Unruhe in den Bauch zu kitzeln. Schließlich weiß man nicht genau, was die Zeichen an den Bäumen zu bedeuten haben. Und weshalb die dunkle Grube eine so starke Anziehung auf Sarah hat. Oder wieso plötzlich Autos mitten im Wald antriebslos stehen bleiben. Von der Kettensäge gar nicht zu reden. Klar ist bloß: Mit Logik kommt man hier nicht weiter. Aber seltsamerweise beunruhigen diese Ereignisse nur Sarah – nicht ihren Mann.

Ihn kann auch die alte Frau nicht durcheinander bringen, die plötzlich im Waldhaus auftaucht und unheilvolle Dinge prophezeit. Deshalb merkt er zu spät, dass seine Frau, seit sechs Jahren mit Psychopharmaka ruhig gestellt, um den Tod ihres Sohnes zu verkraften, ihre Gefühle willenlos Achterbahn fahren lässt, als sie die Pillen ohne Wissen ihres Mannes absetzt. Ein in düsterer Braungrün-Kolorierung gezeichnetes Album, bei dem man auf jeder Seite fühlt, dass es nicht gut ausgehen kann, während man sich von der bewusst quälend langsam aufgebauten Spannung immer tiefer in den Wald treiben lässt. Ein Comic für Freunde von subtilem Horror. Zeichenstil und Layout erinnern an die Alben von Charles Burns.

Erik Kriek: Die Grube
Aus dem Niederländischen von Katrin Herzberg
132 Seiten, gebunden, 26,- Euro, avant, ISBN 978-3-96445-106-4
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Dream Machine

Geld und Macht durch Datenklau: Large Language Model (LLM) ist das Herz von KI: Computer lesen Texte aus allen Sprachen ein und vervollständigen damit immer weiter das Wissen von Chat GPT und seiner Konkurrenz, hin zum gesammelten Wissen dessen, was Menschen je gedacht und verschriftlicht haben. Derzeit ist das Wissen der KI jedoch noch weitgehend auf das beschränkt, was in europäischen Sprachen veröffentlicht worden ist. In diese Lücke ist Hugo mit seinem Start-Up gestoßen: Er organisiert LLM auch für Texte auf Hindi und Arabisch und befindet sich mitten in der KI-Revolution. Als der Tech-Gigant REAL anbietet, seine Technologie zu erwerben, nimmt Hugos Leben eine unerwartete Wendung. Hugo ist bereit, sein Start-Up an REAL für gutes Geld zu verkaufen, doch im Lauf der Verhandlungen kommen ihm immer mehr Zweifel: Was wird REAL mit seiner Datenmacht tun? Was sind die wahren Absichten? (Verlagstext)

In diesem Comic dreht sich alles darum, was passiert, wenn die großen Tech-Giganten, die heute schon allerorten den Ton angeben, noch stärker werden. LLMs sind auf Daten angewiesen. Je mehr sie haben, umso genauer können sie arbeiten. Und je mehr Daten ein Unternehmen hat, desto mächtiger wird es. Es kann nicht nur ganze Volkswirtschaften dominieren (der Jahresumsatz von Google + Co ist heute schon höher als das gemeinsame BIP vom unteren Viertel aller Staaten der Welt), sie können auch Wahlen manipulieren und Regierungen kontrollieren.

Autor Laurent Daudet, der selbst mit LLMs arbeitet, schildert sehr genau, wie LLMs funktionieren. Er erklärt ihre Arbeitsweise, und damit die des ChatGPT und dessen Ablegern, anhand von Arbeitsprojekten, die Hugo für seine Kunden entwickelt. Er stellt das Leben, die Hektik und die durch immer neue Entwicklungen erzeugte Getriebenheit der IT-Community auf ihren weltweiten Kongressen dar. Er entwickelt Zukunftsszenarien, von denen niemand genau weiß, wohin sie am Ende führen werden. Schließlich wissen selbst die Akteure seiner Geschichte irgendwann nicht mehr, ob sie sich in der Realität, oder längst in einer computergesteuerten Fiktion befinden. Ein Comic, der Orwells 1984 erschreckend präzise ins 21. Jahrhundert teleportiert.

Appupen, Laurent Daudet: Dream Machine
Aus dem Französischen von Edmund Jacoby
160 Seiten, monochrom, 25,- Euro, Jacoby&Stuart, ISBN 978-3-96428-230-9
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Der Untergang des Hauses Usher

Der amerikanische Autor Edgar Allan Poe erzählt in seiner erstmals 1839 erschienenen Kurzgeschichte in der für ihn typischen Mischung aus grotesken Situationen, subtilem Horror und spannungsgeladenen Sprachkaskaden von menschlichen Urängsten und vom Kampf des Geistes gegen dunkle Triebe, sinniert aber auch auf zart-poetische Weise über Freundschaft, Empathie und eine Liebe über den Tod hinaus. Ein dringlicher Brief führt rasch in das grauenhafte Geheimnis. Ein Freund ist krank und verwirrt, seine Schwester stirbt und wird doch lebendig begraben. »Der Untergang des Hauses Usher« ist eine Erzählung zum Fürchten und ein glänzendes Beispiel für die tiefschwarze Romantik im Gewand einer Gothic Fiction. (Verlagstext)

Unter dem Label Dust Novel sind in der Edition Faust von dem kalabrischen Maler Andrea Grosso Ciponte zahlreiche literarische Werke der Romantik als Graphic Novel adaptiert worden. Mit dabei sind Walpoles Schloss Otranto, Hoffmanns Sandmann, Schillers Geisterseher, Storms Schimmelreiter, Goethes Faust, und nicht zuletzt die traumhaft schöne Adaption von Kleists Marquise von O. Alle Bände sind in verschiedenen Stilen gezeichnet. Eine spannende, abwechslungsreiche Sammlung in eigenwilligen Bildern.

Auch für Poes Usher hat Ciponte Motive gefunden, die die Atmosphäre der Erzählung treffend einfangen. Eine Mischung aus verfremdeten Fotos und Bilder, durch deren morbide Ästhetik der nackte Wahn schimmert. Modernde Gewölbe, in deren Innern nichts Gutes haust. Gestalten, die an Figuren von Hieronymus Bosch erinnern. Es ist streckenweise beklemmend, dieses Album zu lesen – und im Gegensatz zu den meisten Comics, die hierzulande unter dem Label Horror laufen, wirklich creepy. Eine Graphic Novel für Leser, die eigenwillige Interpretationen und kreative Experimente schätzen.

A. G. Ciponte, D. Palmerino, E. A. Poe: Der Untergang des Hauses Usher
Aus dem Italienischen von Myriam Alfano
64 Seiten, gebunden, 24,- Euro, Edition Faust, ISBN 978-3-949774-13-3