Der Tod in Venedig + Der Sandmann

kuhlendahl-tod-in-venedig

Mal wieder zwei Literaturadaptionen bei Knesebeck. Den Anfang macht Thomas Mann. Verlagstext: Thomas Manns Erzählung über den Schriftsteller von Aschenbach, der auf einer Reise nach Venedig dem Anblick des kränklichen Knaben Tadzio verfällt, ist ein Klassiker der deutschen Literatur. In Tadzio erkennt der alternde Künstler die Essenz der Schönheit. Die besitzergreifende, rücksichtslose Seite seiner Gefühle verdrängt er. Tadzios Leiden unter dem ständigen Verfolgtsein interessieren ihn nicht. Susanne Kuhlendahl bringt mit ihrem aquarellierten, malerischen Stil die bekannte Erzählung von Niedergang und Dekadenz als Graphic Novel in eine neue und spannende Form, die die Atmosphäre der Romanvorlage gekonnt aufgreift.

In der Tat – das tut sie. Wer Aquarelle mag, kommt hier auf seine Kosten. Schöne Bilder. Warme Bilder. Weiche Bilder. Venedig, Sonne, Strand, Sehnsucht. Diese Tragödie einer Entwürdigung, wie Thomas Mann seine Erzählung einmal selbst charakterisiert hat, zeichnet Kuhlendahl im Detail nach. Aschenbach als ein sich stets in Griff habender Schriftsteller, dessen Selbstdisziplin angesichts seiner beginnenden Liebe zu Tazido Stück für Stück zerfällt und zerbröselt. Sein strenges Schriftstellergesicht zu Anfang, der liebende, sich auflösende Ausdruck in den Augen während der aufkommenden Leidenschaft, das zerstörte, fast nuttig auf jung geschminkte Gesicht eines Menschen, der weiß, dass er am Ende ist, am Schluss. Eine Liebesgeschichte, die zeigt, wie verzweifelt man sich zum Affen machen kann, wenn das Objekt der Begierde unerreichbar ist. Das ist großes Kino und wird auch denen gefallen, die Thomas Mann nie gelesen haben.

Top 10 2019

Susanne Kuhlendahl: Der Tod in Venedig (nach Thomas Mann)
96 Seiten, gebunden, 22,- Euro, Knesebeck, ISBN 978-3-95728-268-2
> Leseprobe

konstantinov-der-sandmanni

Verlagstext: Nathanael hat als Kind seinen Vater verloren. Die Schuld dafür gibt er dem Alchimisten Coppelius, den er in dem Glashändler der Stadt wiederzuerkennen glaubt. Immer besessener steigert er sich in seine Fantasien hinein. Obwohl er sie liebt, verlässt er seine Jugendliebe Clara und wendet sich Olimpia, der Tochter seines Professors zu… Gezeichnet von seinem Irrtum, versucht Nathanael, sich und Clara vom Turm der Stadtkirche zu stürzen. Vitali Konstantinov adaptiert in seinem feinen und linearen Stil gekonnt die düstere Erzählung „Der Sandmann“ von E. T. A. Hoffmann als Graphic Novel.

Vitali Konstantinovs Zeichenstil konnte man bereits in seinem Album FMD – Leben und Werk von Dostojewski bestaunen. Der Sandmann ist glücklicherweise nicht ganz so chaotisch bebildert. Die Motive überlagern sich nur selten, und wenn, sind sie klar unterscheidbar. Die Darstellung der handelnden Personen erinnert ein bisschen an ein hölzernes Figurentheater, passt allerdings wunderbar zu dem Thema Mensch / Roboter, das Hoffmann damals (1816) als einer der ersten Autoren in einer Erzählung thematisierte. Die Atmosphäre des beginnenden 19. Jahrhunderts kommt gut rüber, und das Augen- und das Feuermotiv der Geschichte sind ebenfalls integriert. Das passt.

Vitali Konstantinov: Der Sandmann (nach E. T. A. Hoffmann)
48 Seiten, gebunden, 22,- Euro, Knesebeck, ISBN 978-3-95728-181-4
> Leseprobe

Kommentieren?

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..