Reisende im Wind

Cover Band 6.1

Als die Serie in den achtziger Jahren bei Carlsen erschien, setzte sie ziemlich schnell Maßstäbe. Zum einen war ein über fünf Bände laufender Comicroman damals nicht gerade Standard in der Comicwelt. Zum anderen war die Ende des 18. Jahrhunderts spielende Geschichte so spannend geschrieben, so locker erzählt, so klasse gezeichnet und mit so eigenwilligen Charakteren besetzt, dass sie sich schnell zur Kult-Serie entwickelte.

Da ist die rebellische Isabeau de Marnaye, eine junge Adlige, die aufgrund einer Verwechslung von zu Hause fliehen muss. Da ist der bretonische Matrose Hoel, der seinen Kapitän erschießt, um Isabeau das Leben zu retten. Da ist die kecke rothaarige Engländerin Mary, die alle mit ihrem grammatikalisch falschen Französisch entzückt und die Meinung vertritt, gute Freundinnen sollten alles teilen – auch ihre Männer. Und da sind die Abenteuer an der vom Sklavenhandel verwüsteten afrikanischen Küste mit all ihren Ungerechtigkeiten, Brutalitäten, Absurditäten und der Doppelmoral der Priester, Sklavenhändler und Diplomaten. Gar nicht zu reden von den korrupten Häuptlingen und den Künsten der Voodo-Magier.

Jetzt gibt es eine Fortsetzung, die Splitter in zwei Bänden auflegt. Der erste Band spielt im Jahr 1862. Isabaeu ist längst Großmutter und lebt in den Südstaaten von Amerika. Die werden gerade durch den Sezessionskrieg verwüstet, die Fronten wechseln ständig, und irgendwie hat man beim Lesen das Gefühl, zum Verständnis der Handlung erstmal Geschichte studieren zu müssen, um all die historischen Details, mit denen Bourgeon den Leser mehr verwirrt als erhellt, verstehen und die darin eingebettete Handlung entsprechend einordnen zu können. In Rückblicken erfährt der Leser, wie das Leben von Isabaeu damals weiter gegangen ist.

Wirkliche Spannung kommt allerdings keine auf. Statt dessen fragt man sich, ob diese Fortsetzung wirklich sein musste. Bourgeon überfrachtet die Story mit einer Fülle historischer Details, die für die Entwicklung der Geschichte nicht zwingend sind und den Erzählfluss nur hemmen. Und dass alles in einer Rückblende erzählt wird, macht die Geschichte auch nicht flüssiger. Es war selten sinnvoll, Geschichten fortzusetzen, die man 20 Jahre zuvor schon erfolgreich beendet hatte. Die Bände 1 – 5 sind Kult. Die Fortsetzungsbände 6.1 und 6.2 kann man lesen – die Zeichnungen sind prima – aber die Story gibt nicht wirklich was her.

François Bourgeon: Reisende im Wind 1 – 5
48/56 Seiten, 14,80/15,80 Euro, gebunden, Splitter, ISBN 978-3-86869-074-3 (Bd 1)
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François Bourgeon: Reisende im Wind 6.1 + 6.2
88/70 Seiten, 17,80 Euro, gebunden, Splitter, ISBN 978-3-86869-079-8 (Bd 6.1)
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Update 18.12.2018: Und wieder gibt es eine Fortsetzung (Die Zeit der Blutkirschen), die diesmal 20 Jahre später spielt. Und wieder fragt man sich, was das soll. Zumindest der erste der zwei neuen Bände liest sich im Vorabdruck der Journal-Reihe wie krampfhaft zusammengehirntes Zeug auf der Suche nach einer Story. Von Spannung keine Spur. Von der typischen Reisende im Wind-Atmosphäre auch nicht. Nur die Zeichnungen sind gut wie immer.

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