Verbrechen und Strafe + Auf der Suche nach Moby Dick

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Einmal Fjodor Dostojewski, einmal Herman Melville – in diesem Monat erscheinen zwei Literaturadaptionen bei Knesebeck. Fangen wir mit Dostojewski an. Verlagstext: Der begabte, aber in Armut lebende Jurastudent Rodion Raskolnikow begeht in einem Gefühl von Überlegenheit einen Mord. Nach der Tat gleitet er immer tiefer in Schuldgefühle ab und stellt sich schließlich selbst. Diesen wohl bekanntesten Roman Dostojewskis von 1866 adaptierte der Comic-Künstler Bastien Loukia nun erstmals als Graphic Novel. Eindrücklich werden die ärmlichen Lebensverhältnisse im Sankt Petersburg zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Szene gesetzt; die intensive Farbpalette und die kraftvollen Pinselstriche führen dem Leser die Abgründe des menschlichen Daseins vor Augen, die auch 150 Jahre nach der Veröffentlichung noch den Menschen faszinieren.

Abgründe des menschlichen Daseins: Kaum jemand kann so düstere und hoffnungslose Gespenster aus dem Innenleben von Menschen heraufbeschwören wie russische Autoren. Von Dostojewski, der das besonders gut konnte, ist bislang sein Roman Der Spieler als Comic erschienen, und mit FMD – Leben und Werk von Dostojewski eine Comic-Biografie. In Verbrechen und Strafe quält sich die Hauptperson so sehr mit Schuldgefühlen, dass aus Angst Paranoia, und aus Paranoia Verzweiflung wird. Eine Verzweiflung, deren Ursache weniger aus den Ermittlungsergebnissen der Polizei, als aus den Selbstvorwürfen des Akteurs resultiert. Die 700 Romanseiten auf 160 Comicseiten zusammenzufassen war sicher nicht leicht, aber Bastien Loukia hat das ganz gut hinbekommen. Die moralischen Skrupel und die Angst, mit denen Raskolnikow sich herumquält, werden gut rausgearbeitet, und die Zeichnungen sind auch nicht schlecht.

Bastien Loukia, Fjodor Dostojewski: Verbrechen und Strafe
160 Seiten, gebunden, 25,- Euro, Knesebeck, ISBN 978-3-95728-442-6
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Von dem Roman Moby Dick gibt es bereits zwei Comicadaptionen: eine von Pierre Alary und Olivier Jouvray und eine von Christophe Chabouté. Die neue von Isaac Wens und Sylvain Venayre verfolgt einen anderen Ansatz. Verlagstext: „Moby Dick oder: Der Wal“, der weltberühmte Roman von Herman Melville aus dem Jahre 1851, handelt nicht nur von Kapitän Ahabs Jagd nach dem riesigen weißen Pottwal, der einst sein Beine abriss und dem er Rache schwor. Neben der Erzählung der Reise seiner Hauptfigur taucht Melville in zahlreiche Exkurse über komplexe philosophische, gesellschaftliche oder auch mythologische Themen ab, wie den sozialen Status, das Gute und das Böse oder die Existenz von Gott. Diese innovative Graphic-Novel-Adaption verwebt die Geschichte rund um Moby Dick mit der Erzählung eines jungen Journalisten, der sich dem monumentalen Werk, seinem Autor und seinen komplexen Ansichten aus heutiger Sicht nähert.

Das tut sie. Wobei man sich allerdings fragt, wozu das gut sein soll. Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte. Der Versuch, sie durch philosophische Abschweifungen kulturell aufzuwerten führt meist dazu, dass der Erzählfluss leidet. So ist es auch hier. Es ist nicht uninteressant, was Sylvain Venayre rund um die Story an gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Erkenntnissen einflechtet, aber bestenfalls von akademischem Interesse, und die Spannung geht dabei flöten. Das ist schade, denn die Zeichnungen von Isaac Wens sind echt klasse und passen wunderbar in die raue Welt der Seefahrt. Was immerhin zur Folge hat, dass man diesen Band auch allein der Zeichnungen wegen lesen kann – die lohnen sich nämlich wirklich (wobei man sich fragt, weshalb Knesebeck immer nur briefmarkengroße Leseproben online stellt, auf denen kaum etwas zu erkennen ist).

Isaac Wens, Sylvain Venayre, Herman Melville: Auf der Suche nach Moby Dick
224 Seiten, gebunden, 28,- Euro, Knesebeck, ISBN 978-3-95728-440-2
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