Anne Frank

Es gibt Bücher und Comics, denen sieht man an, wie sehr sich die Autoren bemüht haben, alles richtig – oder besser: nur keinen Fehler – zu machen. Und wenn es dann auch noch um ein Idol wie Anne Frank geht, ist man besonders vorsichtig, hält Rücksprache mit ausgewiesenen Autoritäten und kann sich am Ende, als eine Art Absolution, den Satz „autorisiert vom Anne Frank Haus“ aufs Cover schreiben.

Wahrscheinlich ist Carlsen selber bewusst, dass das Ergebnis wenig berauschend ist. Auf das übliche Graphic Novel-Logo hat der Verlag jedenfalls verzichtet und das Album statt dessen „eine grafische Biografie“ genannt. Mehr ist es leider auch nicht geworden.

Die erste Hälfte des Albums besteht aus einer mehr oder weniger hölzernen Aneinanderreihung von Namen und Daten, die zwar den Werdegang der Familie genau beschreiben, aber einfach nur langweilig sind. Es wirkt bausteinmäßig zusammengesetzt. Von einer flüssig erzählten Geschichte keine Rede, und die Dialoge sind teilweise nichtssagend peinlich.

Wirkliche Spannung setzt erst da ein, wo sich die Familie Frank zusammen mit einer befreundeten Familie im Hinterhaus ihrer Firma versteckt, um sich vor der Deportation nach Auschwitz zu schützen. Insgesamt acht Personen, die zwei Jahre lang auf 65 Quadratmetern miteinander auskommen müssen und einem sehr disziplinierten Tagesablauf unterworfen sind. Tagsüber können sie sich nur auf Zehenspitzen bewegen, um nicht entdeckt zu werden, weil unter ihnen gearbeitet wird. Wer wann ins Bad und auf Toilette darf ist penibel geregelt. Das bereitet der quicklebendigen, zudem pubertierenden Anne viele Probleme.

Das Leben im Hinterhaus ist das eigentlich Interessante und Spannende dieser Geschichte. Den historischen Hintergrund und biografischen Rest hätte man – zumal am Ende des Bandes noch eine kleine Zeittafel integriert ist – wesentlich kürzer fassen können. Auch die in typischem US-Stil gehaltenen Zeichnungen kommen nur selten über Mittelmaß hinaus. So bleibt ein Album, das vielleicht als Schulbuch funktioniert, sicher pädagogische Ansprüche erfüllt und vor 30 Jahren vielleicht auch als Comic begeistert hätte. Inzwischen hat sich das Medium aber so sehr weiterentwickelt, dass man sich beim Lesen dieses Albums unwillkürlich fragt, was jemand wie Peer Meter mit Isabel Kreitz oder Barbara Yelin aus diesem Thema gemacht hätte.

Ernie Colón, Sid Jacobson: Anne Frank – Eine grafische Biografie
160 Seiten, gebunden, 16,90 Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-79185-6

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