Das kleine Rockbuch

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Also das hier ist wirklich eine tolle Sache. Es gibt unzählige Rock-Enzyklopädien, in denen die Bands fein säuberlich nach Alphabet aufgelistet sind. In der Regel lesen sie sich in etwa so rockig wie ein Kammerkonzert klingt.

Bourhis ist anders. Er versucht erst gar nicht, irgendeine Art von Seriosität aufkommen zu lassen. Er schreibt und zeichnet so, wie gute Rock-Musiker spielen: hemmungslos subjektiv, anarchisch und lustbetont. Süffisant grinsend kramt er das ein oder andere (peinliche) Detail der Rockgeschichte aus und verewigt es in diesem Album, das mit dem Jahr 1915 beginnt (da kam die erste Jukebox auf den Markt) und 2009 endet.

Viele geniale Musiker fehlen. Über Santana, Johnny Winter, Joe Cocker, Supertramp oder Ten Years After erfährt man nichts – um nur einige zu nennen. Aber das ist nicht so wichtig, denn hier geht es nicht um kleinkrämerische Buchhaltung, sondern um Rock ´n Roll. Um die Entwicklung der Musik und ihrer verschiedenen Stilrichtungen. Und um die Kuriositäten am Rande.

So erfährt man, dass der Auftritt von Johnny Ace ausfallen musste, weil er vor dem Konzert russisches Roulette mit einem geladenen Revolver gespielt hat. Dass Ozzy Osbourne (Ex-Black Sabbath) gegen Tollwut behandelt werden musste, nachdem er auf der Bühne einer Fledermaus den Kopf abgebissen hat. Dass Little Richard, damals der Inbegriff von Erotik, heute als Adventisten-Prediger tingelt.

Respekt vor großen Namen ist Bourhis fremd. Unter den sechs Platten, die seiner Meinung nach die Entstehung des Punks rechtfertigten, listet er unter anderem „Hotel California“ von den Eagles und „Oxygene“ von Jarre auf. Und über Michael Jackson lästert er: „Michael Jackson ist mit seinem Album ´Thriller´ der absolute Crossover gelungen. Er erreicht das Rock-, Funk- und Pop-Publikum, das schwarze, weiße, aber auch gelbe, grüne, jugendliche, erwachsene, kindliche Publikum, kurz, er erreicht alle.“

Dieser Comic wird alle diejenigen erreichen, die Rockmusik lieben. Man kann ihn von vorne nach hinten lesen, man kann ihn auch von hinten nach vorne oder einfach quer lesen. Eins ist auf jeden Fall garantiert: ein mehrstündiges Lesevergnügen mit hohem Unterhaltungsfaktor. Und viele Erinnerungen, die bei der Erwähnung der einen oder anderen Geschichte aufkommen. Ein klasse Album – einfach herzerfrischend anders.

Herve Bourhis: Das kleine Rockbuch
208 Seiten, schwarzweiß, 19,90 Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-75040-2
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