Nach Paris

Der Zweiteiler von Schuiten und Peeters jetzt als Gesamtausgabe: Das bequeme Leben in der Raumkolonie schmeckt Karinh nicht mehr. Sie soll endlich ihre zwei Normkinder bekommen, sagt die Behörde, die Bevölkerung muss stabil bleiben. Karinh träumt von Terra und einer märchenhaften Stadt namens Paris. Alle verfügbaren Informationen über den Ort hat sie gesammelt, sogar in Form dieser antiken „Bücher“. Da wird eines Tages eine Expedition zur Erde gestartet, und Karinh ist eine der Auserwählten, die mit an Bord darf. (Verlagstext)

Und dann kommt alles anders. Wer einen Band der Geheimnisvollen Städte von Schuiten und Peeters liest (Metamorphosen, Der Archivar, Die Sandkorntheorie, Der Turm u.a.) versinkt in eine Welt, in der vieles rätselhaft scheint. Geschichten werden assoziativ erzählt, monumentale Architektur steht wie ein Fremdkörper im Raum, und die Frage, was die Künstler dem Leser damit sagen wollen, ist nicht klar zu beantworten.

Im Grunde dreht sich alles um Städte und Stadtplanung – und um die Rolle, die Menschen darin spielen. In diesem Fall möchte eine junge Frau, deren Eltern von der Erde stammen, zur Erde zurück. Um Paris kennenzulernen. Um ihre Eltern kennenzulernen. Um die Erde kennenzulernen. Doch was sie findet, ist ein Paris, das nur noch als eine Art eine nachgebaute Touristenattraktion dient. Ein Paris ohne Pariser. Sie fragt sich, weshalb man sie überhaupt hierher geschickt hat. Und vor allem: Weshalb sie unbedingt hierher wollte.

Man muss die Art und Weise, wie Schuiten und Peeters Comics machen, mögen, um sie genießen zu können. Die Lektüre ihrer Alben lässt den Leser oft in einer Mischung aus Verirrung und Faszination zurück. Das ist hier nicht anders – Mitdenken ist erwünscht. Der Anhang, in dem Benoît Peeters einen interessanten Überblick über die architektonischen Veränderungen der französischen Metropole seit 1850 gibt, ist dabei sehr hilfreich.

François Schuiten, Benoît Peeters: Nach Paris (GA)
Aus dem Französischen von Resel Rebiersch
144 Seiten, gebunden, 34,80 Euro, Schreiber&Leser, ISBN: 978-3-96582-121-7
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Die Lesereise

Eine ziemlich kafkaeske Geschichte, die mit viel Ironie davon handelt, dass das Leben sich nicht an den Plan hält, den man sich für die kommenden Tage gemacht hat: Nach der Veröffentlichung seines neuesten Romans begibt sich G. H. Fretwell, ein angesehener englischer Schriftsteller, auf eine Lesereise, um sein Buch zu promoten. Nichts läuft nach Plan, das Publikum bleibt aus, Verkäufe finden nicht statt. Trotzdem wird die Reise weiter und weiter verlängert. Allmählich wird sie für den Autor zu einem Albtraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint, denn inzwischen hat auch noch die Kriminalpolizei einige Fragen an ihn. Und obwohl schon alles schief läuft, scheint es, als ob Fretwells Probleme gerade erst beginnen. (Verlagstext)

Der britische Autor Andy Watson hat bereits diverse, u.a. für den Harvey-, Eisner- und British Comics Award nominierte Alben abgeliefert. Als Karikaturist und Illustrator weiß er zudem, mit dem Zeichenstift umzugehen. In diesem Fall ganz in Schwarzweiß in eher gestrichelten, als durchgezogenen Linien. Das passt gut zu einem Thema, in dem die Ereignisse genauso flüchtig erscheinen wie die Bilder.

Denn in dieser Geschichte klappt nichts wie vorgesehen. Und obwohl Fretwell von einem Ungemach ins nächste schlittert, passt er sich den neuen Gegebenheiten stets widerspruchslos an. Er akzeptiert nervige Buchhändler, fehlendes Publikum, miese Unterkünfte, vergessene Termine, und dass ihn am Ende auch noch die Polizei mit immer konfuseren Verdächtigungen belästigt, nimmt er ebenfalls klaglos hin. Eine trocken und lakonisch erzählte Reise nach Absurdistan. In dem Verlag erschienen, der bereits den transsexuellen Superhelden Dragman in die Läden brachte. Very british.

Andi Watson: Die Lesereise
Aus dem Englischen von Ruth Keen
268 SW-Seiten, gebunden, 25,- Euro, Schaltzeit, ISBN 978-3-946972-60-0
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Glauben Sie an die Wahrheit?

Macht es Sinn, an den Verstand von Menschen zu appellieren, die ihn sichtlich längst verloren haben? Dieses Album macht den Versuch, die Welt der Verschwörungstheoretiker ein bisschen auseinander zu nehmen: Sind Sie noch sicher, dass die Erde rund ist? Als Journalistin fühlt sich Doan oft wie Alice im Wunderland, wenn sie sich die alternativen Wahrheiten von Illuminaten oder Flacherde-Anhänger*innen anhört. Warum halten sie wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über den Klimawandel oder Covid-19 für falsch und was sind ihre Argumente? Humorvoll und selbstkritisch nimmt Doan uns mit auf ihre Reportagen über die populärsten Verschwörungstheorien und zeigt, warum sich Fake News viel schneller verbreiten als wahre Fakten. Das vielleicht lustigste Buch über Verschwörungstheorien. (Verlagstext)

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Bei Verschwörungstheoretikern gibt es eigentlich wenig zu lachen, aber Doan Bui schafft es, den Widersinn ihrer Theorien auch witzig auf die Seiten zu bringen. Sie schreibt nicht nur über sie – sie hat sich auch mit vielen von ihnen unterhalten und gibt so einen Einblick in die Denkweise dieser Leute.

Den Anfang macht sie mit den Truthern (truth = Glauben), die der Meinung sind, die Mainstream-Medien würden allesamt lügen, aber sie, die Truther, hätten deren Fake News durchschaut und wüssten, wo es langgeht. Ob Mondlandung, Kennedy-Mord, Corona oder was auch immer – ihrer Meinung nach ist alles Lüge. Die Flache-Erde-Anhänger wiederum glauben, die Erde sei nicht rund, sondern flach wie eine Pizza. Am interessantesten ist das Kapitel über die Fake-News-Fabrik, in der Bui sehr genau beschreibt, wie das, was die Schwurbler alternative Fakten nennen, entsteht und verbreitet wird. Nicht durch Einzelne, sondern richtiggehend automatisiert und millionenfach. Auch die Klima-Skeptiker und die Impfgegner werden vorgestellt, und Oberfaker Donald Trump bekommt ein eigenes Kapitel. Ein ebenso amüsantes wie informatives Album, von Carlsen ab 12 Jahren empfohlen.

Leslie Plée, Doan Bui: Glauben Sie an die Wahrheit?
Übersetzung: Christiane Bartelsen
176 Seiten, gebunden, 22,- Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-72329-1
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