„Ich will kein Mädchen sein. Ich will auch kein Junge sein. Ich will nur ich selbst sein.“ Wie erklärt man jemandem, was man nur erahnt? Was man so intensiv fühlt und doch nie fasst? Mit „Genderqueer“ hat Maia Kobabe eine einfühlsame und gleichzeitig radikal offene Autobiografie geschaffen – über die Suche nach sich selbst. In den 1990ern ist Maia Kobabe ein leicht verstockter Teenager, der an allen Ecken und Kanten auf Fragen und Widerstände stößt. Heimliche Schwärmereien für die Mitschüler:innen, Freundschaften, Familienkrisen, Schulstress – der ganz normale Pubertätswahnsinn. Aber Maia strauchelt weit mehr als die Altersgenoss:innen. Als Mädchen fühlt sich Maia unwohl und oft fehl am Platz. Aber ein Junge will Maia auch nicht sein, zumindest nicht ganz. Kann man weder das eine noch das andere sein und trotzdem glücklich werden? (Verlagstext)
Dieses Album geht noch weiter als die üblichen Trans-Comic, in denen es meist darum geht, wie man vom Mann zur Frau oder von einer Frau zum Mann werden kann. Maia will keins von beiden sein. Das schafft eine Menge Probleme. Es ist nicht so, dass Maia asexuell wäre. Aber Sex macht alles nur noch schlimmer, weil man Kontakt mit Geschlechtsteilen hat, sinniert dey. Ich glaube, wenn ich einen Orgasmus habe, dann nicht dank, sondern trotz meines Körpers. Klingt kompliziert. Und ist es auch. Und: Wenn man sich selber schon nicht versteht – wie soll man es seinem sozialen Umfeld erklären?
Das fängt schon bei der Sprache an. Als Mädchen geboren, ohne sich so zu fühlen, kann Maia nicht Pronomen wie sie benutzen. Er aber auch nicht. So probiert dey einiges aus, und wie bei den nervigen Genderzeichen, bei dem man sich auch nicht darauf einigen kann, ob Doppelpunkt, Unterstrich, Slash, Sternchen oder ganz was anderes, gibt es für nichtbinäre Menschen viel Auswahl: xier, raa, sier, dey – und da sind die Deklinationen noch nicht mal dabei. Dey (wofür Maia sich schließlich entscheidet) ginge z. B. mit dey/deren/denen/dey oder dey/deren/demm/demm oder dey/deren/dem/dem oder dey/deren/dey/dey oder … Schon die Verwandtschaft hat Probleme, sich das einzuprägen.
Aber natürlich geht es nicht nur um semantische Seltsamkeiten. Die Auswahl an Klamotten für Nichtbinäre – sei es in Form oder Design – hält sich in Grenzen. Und beim Dating kann Tinder zwar die Treffen vermitteln – aber wie dey sich dabei verhalten soll, ist ein Rätsel. Es fühlt sich an, als müsse Maia die Welt neu erfinden. Von den trotz allem nötigen Besuchen beim Frauenarzt gar nicht zu reden. Eine spannende und informative Autobiografie, die sich prima liest – und nicht zuletzt dazu führt, auch manch eigene Sichtweise zu überdenken.
Maia Kobabe: Genderqueer – Eine nichtbinäre Autobiografie
Aus dem Amerikanischen von Matthias Wieland
240 Seiten, 20,- Euro, Reprodukt, ISBN 978-3-95640-415-3
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