Schloss der Tiere

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Diese Serie erinnert an Animal Farm von George Orwell. Verlagtext: Irgendwo in Frankreich, auf einem von den Menschen vergessenen Bauernhof, liegt das Schloss der Tiere. Vom Stier Silvio mit eisernem Huf geführt, stellt die Republik ein Eiland der Solidarität und des Gemeinschaftssinns dar. So zumindest das Ideal, doch die Fassade ist rissig: Als das Huhn Adelaide aus fadenscheinigen Gründen von Silvios Hundemeute exekutiert wird, beschließt Katzendame Miss Bengalore, dass ihre Jungen nicht in diesem repressiven System aufwachsen sollen. Zusammen mit dem Gigolo-Kaninchen Cäsar und der weisen Ratte Azelar tritt sie in den Widerstand ein – mit Ungehorsam und Humor gegen Reißzähne und Krallen.

Szenarist Xavier Dorisons, der so spannende Serien wie Long John Silver und Undertaker geschrieben hat, erklärt im Vorwort des ersten Bandes, Orwell habe mit seiner Farm der Tiere gezeigt, dass gesellschaftliche Veränderungen, die durch Gewalt entstanden sind, gescheitert seien, während Veränderungen auf friedlichem Wege erfolgreich gewesen wären (Gandhi, King, Mandela): Und jenen also, die uns gezeigt haben, dass es einen schmalen, gefährlichen, unsicheren, aber durchaus realen Weg zu einer besseren Welt gibt, hofft diese Fabel eine bescheidene Ehre zu erweisen.

Das Szenario des Bandes hält sich an diese Vorgabe. Die Tiere wehren sich gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit, aber nicht mit Gewalt. Angeführt werden sie von der Ratte Azelar, die meint, Humor sei eine gute Waffe. Man müsse die regierenden Stiere und Hunde lächerlich machen. Also entwickelt sie gemeinsam mit Miss Bengalore (eine alleinerziehende Katze) allerlei kreative Widerstandsaktionen.

Klasse sind die Zeichnungen. Die Tiergesichter haben viel Charakter. So lebendig wie in Blacksad, und gelegentlich so rührig wie in Disneyfilmen. Die Hunde finster und fies, aber nicht blöd, die Katze nahe am Kitsch, aber mutig, die Ratte clever und listig. Ganz allerliebst kommt auch Cäsar, das Kaninchen, das einer anregenden Beschäftigung nachgeht. Der ausdrucksstarke Strich von Félix Delep, schreibt der Verlag treffend, der ein eindrucksvolles Erstlingswerk abliefert, haucht seinen tierischen Protagonisten so viel Menschlichkeit ein, dass die Unmenschlichkeit der Diktatur umso stärker hervortritt. Weshalb es diese Reihe auch als Splitter Diamant Vorzugsausgabe gibt. Vier Bände sollen es insgesamt werden. Band zwei soll im Januar erscheinen, der Rest, wenn alles gut läuft, in jährlichem Abstand.

Félix Delep, Xavier Dorison: Schloss der Tiere 1: Miss Bengalore
72 Seiten, gebunden, 17,- Euro, ISBN 978-3-96219-185-6
Vorzugsausgabe: XXL-Format, Bonusseiten, auf 444 Exemplare limitiert, 69,- Euro
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Update 21.12.20: Band 2 ist da, und er ist schrecklich kitschig. Während die Tiere in Band 1 ihren friedlichen Widerstand immerhin noch mit humorvollen Aktionen durchzusetzen versuchten, läuft es in Band 2 auf eine Art Selbstmord auf Raten hinaus, um den bösen Hunden ein schlechtes Gewissen zu machen. Oh Jammer! Die meiste Zeit vergeht mit Diskussionen darüber, was wie Sinn macht oder nicht, und die Zeichnungen verlieren sich mehr und mehr in Kleinklein. Insgesamt lässt die Reihe damit sowohl erzählerisch, wie auch optisch nach. Man darf gespannt sein, wie Dorison und Delep aus der Nummer wieder rauskommen.

Update 22.11.22: Band 3 ist da, und die Story kitscht sich ihrem Ende in Band 4 entgegen. Dabei ist es nicht mal unrealistisch, wie hier Machtverhältnisse beschrieben und in Szene gesetzt werden. Wie der Präsident versucht, die Tiere mit miesen Tricks gegeneinander auszuspielen. Aber wie die armen knuddelsüßen Tierchen sich leidend zu wehren versuchen. Oh Jammer! Dagegen ist Rosamunde Pilcher echter Rock ´n Roll.

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