Macbeth + Medusa und Perseus

Zwei Klassiker: Eine Adaption von Shakespeares Macbeth, die man – auch auf die Gefahr hin, mich damit bei Englischlehrern und Literaturprofessoren unbeliebt zu machen – auch als schlichten Heroic-Fantasy lesen kann, und eine klassische griechische Tragödie in einer Neuinterpretation. Fangen wir mit Shakespeare an: Auf dem Heimweg von einer Strafexpedition begegnen die Heerführer Macbeth, Cousin des Königs Duncan, und Cuilén auf sturmgepeitschter Heide drei Hexen. Die Frauen verkünden den Waffenbrüdern eine Prophezeiung: Macbeth soll eines Tages König sein. Der ist darüber zunächst nicht sehr erfreut, denn dem stünde ja Duncan im Wege. Und dieser ernennt Macbeth aus Dankbarkeit auch noch zum General Schottlands und Mormaer von Moray. Das würde ihm im Zweifel genügen. Doch seine Gemahlin strebt nach weitaus Höherem… (Verlagstext)

Im Grunde liefert Macbeth exakt den Grundstoff, aus dem Heroic-Fantasycomics gemacht sind: Macht- und Geldgier von Herrschern, die Konkurrenten ermorden (lassen), um dann am Ende in einem glorreichen Gemetzel selbst um die Ecke gebracht zu werden. Diese Art des miteinander Umgehens hat sich bis heute gehalten. Das bisschen Zivilisation, mit der die Menschheit sich zwischenzeitlich bekleckert hat, hat daran nichts geändert. Man sollte dieses Album also nicht einfach übersehen, weil man kein Literaturfan ist: Die Zeichnungen von Guillaume Sorel sind düster und fetzig wie immer, weshalb man den Band tatsächlich auch einfach als bildgewaltigen Heroic-Fantasy genießen kann.

Guillaume Sorel, Thomas Day, William Shakespeare: Macbeth
Übersetzung von Marcel Le Comte
120 Seiten, gebunden, 25,- Euro, Splitter, ISBN 978-3-96792-287-5
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War Medusa ein Monster? War Perseus ein Held? Nicht in diesem Comic von André Breinbauer. Der Wende-Comic erzählt den bekannten Mythos aus der Perspektive beider Figuren radikal anders: Medusa ist nicht das Ungeheuer, das aus Bosheit Menschen zu Stein verwandelt. Von einem Gott missbraucht und einer Göttin dafür bestraft ist sie ein zweifaches Opfer der Götter. Perseus hingegen ist noch ein Kind und Spielball der Mächtigen.Das Besondere der Graphic Novel ist zum einen, dass sie von beiden Seiten gelesen wird. In der Mitte treffen Medusa und Perseus sowie ihre Geschichten aufeinander. Zum anderen sorgt ein feministischer Blick auf den Mythos dafür, dass der Comic sich grundlegend von anderen Medusa-Interpretationen unterscheidet. André Breinbauer war mit »Medusa und Perseus« Finalist des Comicbuchpreises 2021 der Berthold Leibinger Stiftung. (Verlagstext)

Ja – wer war hier Held, und wer war Monster? Im Gegensatz zu Macbeth, den Sorel vor allem grafisch neu interpretiert, beschäftigt sich Breinbauer hauptsächlich mit einer inhaltlichen Neuinterpretation. Klare Antworten bekommt man zwar nicht, aber er liefert Anstöße zu einer neuen Sicht. Weiterer Unterschied zu Macbeth: Man kann dieses Album schwer ohne Hintergrundwissen lesen. Kenntnisse der griechischen Mythologie sind hilfreich. Dann allerdings lohnt es sich, denn die Zeichnungen sind sehenswert (und vor allem Medusa mit ihrem Schlangenkopf kommt prima).

André Breinbauer: Medusa und Perseus
288 Seiten, gebunden, 26,- Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-79610-3
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