Venedig

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Es gibt Zeichner, die sind klasse, aber man findet keinen rechten Zugang zu ihnen. Zu dieser Sorte gehört in meinem Fall der im Februar verstorbene Japaner Jiro Taniguchi. Mit Manga kann ich eh nichts anfangen – die Manga-Bände in meinem Regal kann man ziemlich exakt an einer Hand abzählen – und auch, wenn Taniguchi in all seinen Alben starke Zeichnungen abgeliefert hat: Seine Geschichten waren meist so einschläfernd, dass ich sie nie bis zum Ende geschafft habe.

Eine kleine Ausnahme ist sein Louvre-Band. Da ging es mehr um die Bilder als um die Story, und das ist bei Venedig nicht anders. Auch dort gibt es einen lockeren Faden, mit dem Taniguchi versucht, den Bildern eine Geschichte zu geben – eine ziemlich rührende übrigens. Aber er hätte auch darauf verzichten können, denn seine Ansichten von Venedig sprechen für sich. Das ist ein Album, in dem er durch die Gassen der Altstadt streift, über die Kanäle gondelt und am Schluss noch ein paar zauberhafte Impressionen von Venedig by night beisteuert. Die Motive sind vielfältig: Rialtobrücke, San Giorgio, Marinemuseum, Canal Grande, Palazzo Grimani, Riva del Vin, Basilika San Maro, Dogenpalast und und und …

In den Bildern trifft venezianische Geschichte auf japanische Strenge. Das gibt ihnen eine Unterkühltheit, die nicht zu den Kitschpostkarten von Venedig passen will, sie aber gerade dadurch interessant macht. Die exakten Geometrien, die Taniguchi in jedem Gebäude findet, und die er gerne in den Vordergrund stellt, wechseln mit weicheren Motiven, und sanft im Abendwind schaukelnde Gondeln kommen bei ihm ganz ohne Kitsch daher. Einmal Venedig ohne Touristen – hier wird ein Traum erfüllt.

Jiro Taniguchi: Venedig
144 Seiten, Querformat, 29,90 Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-74419-7

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