Der Bildhauer

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Der Amerikaner Scott McCloud hat mit Comics richtig lesen, Comics neu erfinden und Comics machen Standardwerke über Comics (in Comicform) verfasst. Jetzt legt er mit Der Bildhauer auch seine erste eigene Graphic Novel vor – und die kann natürlich nur, nein, muss natürlich gut sein, denn alles andere wäre für jemanden, der anderen erklärt, wie man Comics richtig lesen und machen soll, nur peinlich. Und gut ist sie natürlich auch. Dabei wollte er seinen Bildhauer eigentlich schon vor Comics richtig lesen herausbringen.

Der Bildhauer ist ein fast 500seitiges Werk, dessen Story man wahrscheinlich auch auf 300 Seiten hätte erzählen können, das aber trotzdem nie langweilig wird. Am Anfang sitzt der junge David, ein gescheiterter und von der Welt verschmähter Bildhauer, in einer Kneipe und suhlt sich in Selbstmitleid. Bis sich Onkel Harry an den Tisch setzt. Den hat David vor vielen Jahren zuletzt gesehen, und da war Harry – tot. Es kann sich also nicht um Harry handeln, der ihm da gegenüber sitzt. Es ist der Tod persönlich, der Harry ein Angebot macht: Er kann jede Skulptur mit bloßen Händen erschaffen, völlig unabhängig davon, welches Material er benutzt. Der Nachteil: In 200 Tagen ist die Nummer vorbei und David stirbt.

Natürlich nimmt David an. Für die Kunst und seine Berühmtheit würde er alles tun. Leider stellt sich heraus, dass es nicht damit getan ist, Skulpturen zu schaffen. Sie müssen auch zum Marktgeschehen passen. So entwickelt sich eine Geschichte über künstlerische Eitelkeiten, Kunst und Kommerz, und eine Lovestory ist auch dabei. David verknallt sich nämlich in eine junge Frau – und die Frage ist, ob das Sinn macht. Und ob er ihr das Datum nennen soll, an dem ihre Geschichte unweigerlich enden wird. So beginnt in vielerlei Hinsicht ein Rennen gegen die Zeit.

McCloud zeichnet in Schwarzweiß und benutzt Blau als Schmuckfarbe. Wie immer sind seine Bilder klar und präzise. Auf mich wirken sie etwas unterkühlt – was durch das Blau noch unterstrichen wird. Das war schon bei seinen früheren Alben so, und passt in Comics, in denen man etwas erklärt – wie Comics richtig lesen – auch gut zum Thema. In diesem Fall geht es ein bisschen auf Kosten der Atmosphäre. Ist aber Geschmackssache. Spannend und unterhaltsam zu lesen ist die Geschichte allemal, und die Lösung, die David schließlich zur Präsentation seiner Kunst findet, ist durchaus originell.

Scott McCloud: Der Bildhauer
490 Seiten, gebunden, 34,99 Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-78840-5
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