Das Recht der Erde

Ein Album über den Umgang des Menschen mit der Natur. Und eine (meist) einsame Wanderung von Süd- nach Nordfrankreich. Étienne Davodeau ist einer der ganz großen Comicautoren unserer Zeit. In Frankreich bereits ein Bestseller, erzählt Davodeau in seinem neuen Buch von seiner Wanderung durch die Landschaft. Er trifft Bauern und Wissenschaftler und hinterfragt mit ihnen die Beziehung zu unserer Umwelt. Eine Comicreportage über Bodennutzung, Klimawandel ​und nuklearen Abfall. (Verlagstext)

Davodeau macht sehr unterschiedliche Comics. In Lulu erzählt er von einer Frau, die sich ungefragt eine Auszeit von Job und Familie nimmt, in Der schielende Hund nimmt er auf amüsante Weise den Kunstmarkt aufs Korn, und in Die Ignoranten führt er einen Freund in die Neunte Kunst ein, während der ihm alles über Weinanbau erklärt. Im Recht der Erde wandert er alleine (das tut er gerne) durch Frankreich, um sich im nordfranzösischen Bure darüber zu informieren, weshalb ausgerechnet dort ein Atommüll-Endlager entstehen soll.

In Bure angekommen, bekommt er die Auswirkungen des Klüngels zwischen Atomindustrie und Politik hautnah zu spüren. Das Gelände wird rund um die Uhr von der Polizei überwacht, die protestierenden Menschen ebenfalls. Ihre Telefone werden 24 Stunden am Tag abgehört, jedes Gespräch mitgeschnitten, Wälder werden illegal gerodet, Demonstranten mit aberwitzigen Anschuldigungen kriminalisiert, das Büro ihrer Anwälte durch einen Brandanschlag zerstört. Staat und AKW-Mafia agieren getreu dem Motto legal illegal scheißegal.

All das – und einiges mehr, wie die Gespräche mit den Wissenschaftlern – ist sehr informativ. Aber wie Davodeau das als Comic verpackt, ist todlangweilig. Er wandert Seite um Seite einsam durch die Gegend, bringt die Schönheit der Landschaft mit seinen blassen Schwarzweißzeichnungen aber kaum rüber, und das einzige, was diese Tristesse ablöst, sind die zwischendurch eingestreuten Gespräche, die grafisch aber auch nicht viel Abwechslung bieten. Womit dieses Album ein typischer Zwitter geworden ist: inhaltlich spannend, optisch langweilig. Als Sachbuch okay, aber als Comic macht es nicht viel her.

Étienne Davodeau: Das Recht der Erde
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
216 SW-Seiten, gebunden, 27,- Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-77130-8

Mattéo

Jean-Pierre Gibrat hat schon in seinen Zweiteilern Der Aufschub und Diebe und Denunzianten bewiesen, dass er ein ebenso guter Erzähler wie begnadeter Zeichner ist. Die Farben, das fast schon poetische Spiel mit Licht und Schatten, das Gefühl für die zarten Zwischentöne und seine rundum sympathischen Hauptfiguren machen seine Alben immer wieder zu einem Erlebnis. Nicht zuletzt deshalb, weil seine Geschichten in einem interessanten politischen Umfeld angesiedelt sind und die Akteure dabei eigensinnige Wege gehen.

In seiner sechsteiligen Reihe Mattéo erzählt Gibrat von einem jungen Mann, dessen Vater wegen anarchistischen Aktivitäten aus Spanien nach Frankreich fliehen musste. Dort lebt Mattéo in einem kleinen Ort, als der Erste Weltkrieg ausbricht. Die Siegesbesoffenheit der Franzosen, die glauben, bis Weihnachten in Berlin zu stehen, kann er nicht teilen. Da er spanischer Staatsbürger ist, wird er bei der Mobilmachung nicht eingezogen.

Das kommt bei den älteren Dorfbewohnern nicht gut an. Sie behandeln ihn als Drückeberger. Ihm wäre das im Prinzip egal, aber da ist die schöne Juliette, in die er verliebt ist, die ihm aber dauernd von Guillaume, dem Sohn des Gutsbesitzers, vorschwärmt. Als der dann auch noch zu den Fliegern geht und damit eine Art Heldenstatus erreicht, ist Mattéo klar: Für mich führt die Rückeroberung Juilettes immer noch über die des Elsass und die von Lothringen. Und meldet sich als Freiwilliger an die Front.

In den Folgebänden verschlägt es Mattéo nach Petersburg, um die beginnende Revolution in Russland zu unterstützen, und auch im Spanischen Bürgerkrieg mischt er mit. Überall ist er in die Konflikte zwischen Kommunisten und Anarchisten involviert, wobei er eher zur anarchistischen Seite tendiert, weil er feststellt: Die Kommunisten teilen alles, außer der Macht. Zwischendurch gibt es immer wieder Stippvisiten in der Heimat, um seine geliebte Juilette zu sehen, die sich allerdings anderweitig orientiert. Eine unterhaltsam und abwechslungsreich erzählte, in starken Bildern in Szene gesetzte Abenteuer-Serie mit politischem Background, deren abschließender sechster Band jetzt vorliegt.

Jean-Pierre Gibrat: Mattéo
6 Bände, je 64 bis 76 Seiten, gebunden, 15,- bis 19,- Euro, Salleck Publications

Das Buchmaultier von Cordoba

Ein spannendes Abenteuer rund um das Wesen von Literatur: Das Kalifat von Córdoba im Jahre 976. Unter den Herrschern al-Rahman III. und seinem Sohn al-Hakam II. erblühte das Reich im Zeichen von Frieden, Kultur und Wissenschaft. Die Hauptstadt Córdoba gilt als unangefochtene Perle des Okzidents, als al-Hakam II. jung und ohne volljährigen Nachfolger verstirbt. Der Wesir Amir nutzt die Gunst der Stunde, um die Macht im Kalifat an sich zu reißen. Unterstützt wird er von religiösen Fundamentalisten, denen die Begeisterung der verflossenen Kalifen für fremde Kulturen, für Philosophie und Mathematik, ein Dorn im Auge gewesen ist. Der Preis für ihre Unterstützung ist hoch: Die 400.000 Bücher der Bibliothek von Córdoba sollen auf dem Scheiterhaufen enden… (Verlagstext)

Diese Schändung von Wissenschaft und Kultur kann der Eunuch Tarid, jahrelang verantwortlich für die Pflege der Bücher in der Bibliothek, nicht mit ansehen. Alle 400.000 Bände kann er nicht retten, aber einige packt er zusammen und überlegt, wie er sie transportieren soll. Mithilfe der Kopistin Lubna und Marwan, einem jungen Mann, der es mit den Gesetzen nicht so genau nimmt, packt er die Bücher auf ein Maultier, um sie zu einem sicheren Ort zu transportieren. Dummerweise ist das Maultier ebenso langsam wie störrisch, und hat darüber hinaus Gefallen an den Werken des persischen Mathematikers und Universalgelehrten al-Chwarizmi gefunden, an denen es zum Entsetzen von Tarid gerne rumknabbert. Die Reise zieht sich, die Schergen des Wesirs verfolgen sie, und es sieht so aus, als hätten sie keine Chance ihr Ziel zu erreichen.

Wilfried Lupano (Die alten Knacker, Ein Ozean der Liebe, Azimut) hat damit wieder eine Geschichte gebastelt, die Spannung, Abenteuer und humoristische Elemente gekonnt verbindet. Man begleitet seine drei Helden gerne auf ihrer Reise durch halb Spanien und sieht ihnen dabei zu, wie sie immer neue Probleme meistern, und ihr Maultier zum Weitergehen motivieren müssen. Das geht mal gut, und mal in die Hose. Die Mühe machen sie sich aber nicht, um nur simple Unterhaltungsromane, sondern vor allem wissenschaftliche Werke zu retten. Denn ohne Wissen glaubt man jeden religiösen Blödsinn und verbrennt am Ende nicht nur Bücher, sondern auch Andersdenkende. Eine Abenteuergeschichte mit Tiefgang vor authentisch historischer Kulisse, die sich trotz ein paar Längen flüssig liest und von Léonard Chemineau prima bebildert wurde.

Léonard Chemineau, Wilfrid Lupano: Das Buchmaultier von Córdoba
Aus dem Französischen von Désirée Schneider
264 Seiten, gebunden, 39,80 Euro, Splitter, ISBN 978-3-96792-396-4
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