Tages des Sandes

Staub schlucken im Dust Bowl: USA, 1937. Die Große Depression hat die Staaten fest im Griff, als der 22-jährige Fotograf John Clark von der frisch gegründeten Farm Security Administration nach Oklahoma geschickt wird. Er soll die Katastrophe dokumentieren, die über die Bewohner des Mittleren Westens hereingebrochen ist: Verheerende Dürren und nicht enden wollende Staubstürme machen Ackerbau und Viehzucht in dieser Region, bald »Dust Bowl« genannt, unmöglich. Die Menschen, die in diesem staubigen Ödland leben müssen, begegnen dem Reporter mit Misstrauen. Was helfen ein paar Fotos gegen tödliche Staubstürme? Und je mehr John fotografiert, je näher er den hoffnungslosen Farmerfamilien kommt, desto mehr stellt er seine eigene Rolle in dieser Tragödie infrage, die das Herz Amerikas zu zersetzen droht. (Verlagstext)

Wer jemals in der Sahara oder anderswo in einen Sandsturm geraten ist, weiß, was das heißt: Man kann sich noch so dicht einmummeln – am Ende hat man Sand in allen Körperöffnungen. In wirklich allen. Das ist nicht nur unangenehm und schmerzhaft, sondern auch lebensgefährlich, weil man das Zeug irgendwann sogar in der Lunge hat. Um das Atmen kommt man nicht herum. Was dazu führt, dass vor allem Kinder, die diesen über Monate hinweg nicht enden wollenden Staub- und Sandstürmen ausgesetzt sind, irgendwann an ihnen ersticken.

Das bekommt auch John Clark auf seiner Mission zu spüren. Eigentlich findet er es super, den Auftrag ergattert zu haben, denn der bringt nicht nur Geld, sondern ist auch der erste Schritt zu einer Karriere. Die Bilder sollen in Publikationen quer durch die USA zu sehen sein. Wahrscheinlich sogar weltweit. Aber kann man den Horror des Lebens im Dust Bowl, diese Ausweglosigkeit Tag für Tag, wirklich in Bildern transportieren?

Aimée de Jongh, die mit Ingrid Chabbert das Album Sechzigmal Frühling im Winter und mit Zidrou Das unabwendbare Altern der Gefühle gezeichnet hat, kommt diesmal komplett ohne Szenaristen aus. Der fehlt auch nicht. Was sie zu erzählen hat, bringt sie in einer spannenden, klar strukturierten Geschichte auf die Seiten: Eine starke Story vor realem historischen Hintergrund. Und dass sie zeichnen kann, hat sie in ihren bisherigen Alben bewiesen. In diesem sind neben den Charakteren vor allem ihre Sandstürme klasse.

Aimée de Jongh: Tage des Sandes
Aus dem Französischen von Anne Bergen
288 Seiten, gebunden, 39,80 Euro, Splitter, ISBN 978-3-98721-078-5
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Das Recht der Erde

Ein Album über den Umgang des Menschen mit der Natur. Und eine (meist) einsame Wanderung von Süd- nach Nordfrankreich. Étienne Davodeau ist einer der ganz großen Comicautoren unserer Zeit. In Frankreich bereits ein Bestseller, erzählt Davodeau in seinem neuen Buch von seiner Wanderung durch die Landschaft. Er trifft Bauern und Wissenschaftler und hinterfragt mit ihnen die Beziehung zu unserer Umwelt. Eine Comicreportage über Bodennutzung, Klimawandel ​und nuklearen Abfall. (Verlagstext)

Davodeau macht sehr unterschiedliche Comics. In Lulu erzählt er von einer Frau, die sich ungefragt eine Auszeit von Job und Familie nimmt, in Der schielende Hund nimmt er auf amüsante Weise den Kunstmarkt aufs Korn, und in Die Ignoranten führt er einen Freund in die Neunte Kunst ein, während der ihm alles über Weinanbau erklärt. Im Recht der Erde wandert er alleine (das tut er gerne) durch Frankreich, um sich im nordfranzösischen Bure darüber zu informieren, weshalb ausgerechnet dort ein Atommüll-Endlager entstehen soll.

In Bure angekommen, bekommt er die Auswirkungen des Klüngels zwischen Atomindustrie und Politik hautnah zu spüren. Das Gelände wird rund um die Uhr von der Polizei überwacht, die protestierenden Menschen ebenfalls. Ihre Telefone werden 24 Stunden am Tag abgehört, jedes Gespräch mitgeschnitten, Wälder werden illegal gerodet, Demonstranten mit aberwitzigen Anschuldigungen kriminalisiert, das Büro ihrer Anwälte durch einen Brandanschlag zerstört. Staat und AKW-Mafia agieren getreu dem Motto legal illegal scheißegal.

All das – und einiges mehr, wie die Gespräche mit den Wissenschaftlern – ist sehr informativ. Aber wie Davodeau das als Comic verpackt, ist todlangweilig. Er wandert Seite um Seite einsam durch die Gegend, bringt die Schönheit der Landschaft mit seinen blassen Schwarzweißzeichnungen aber kaum rüber, und das einzige, was diese Tristesse ablöst, sind die zwischendurch eingestreuten Gespräche, die grafisch aber auch nicht viel Abwechslung bieten. Womit dieses Album ein typischer Zwitter geworden ist: inhaltlich spannend, optisch langweilig. Als Sachbuch okay, aber als Comic macht es nicht viel her.

Étienne Davodeau: Das Recht der Erde
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
216 SW-Seiten, gebunden, 27,- Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-77130-8

20.000 Meilen unter dem Meer

Eine neue Jules Verne-Adaption von Thilo Krapp: Mehrere Eisenschiffe im Atlantik und Pazifik werden in den 1860er-Jahren Opfer eines mysteriösen Angriffs! Doch welches Wesen ist in der Lage, Schiffe aufzuschlitzen? Der bekannte Tiefsee-Professor Arronax will der Sache auf den Grund gehen und begibt sich auf eine Expedition. Aber das vermeintliche Meeresmonster entpuppt sich als Unterseeboot Nautilus – unter dem Kommando des mysteriösen Kapitäns Nemo. Damit beginnt ein Abenteuer, das Arronax und seine Freunde an ungeahnte Orte tief verborgen im Meer führt. Und in tödliche Gefahr bringt. Von Thilo Krapp erschien bei Carlsen bereits seine kolorierte Ausgabe von »Der Krieg der Welten«. (Verlagstext)

Der vor gut 150 Jahren erschienene Roman von Jules Verne hat technische Entwicklungen impliziert, deren Realisation damals in weiter Ferne lag. Und hat, wie viele andere Romane von Verne, nicht nur Leser begeistert, sondern auch Künstler inspiriert. Es gibt über ein Dutzend Verfilmungen, kistenweise Hörspiele und Hörbücher, selbst zu einem Musical hat sich jemand hinreißen lassen, und auch an Comicadaptionen mangelt es nicht. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen, wenn man mit einer weiteren Adaption noch gelesen werden will.

Und Thilo Krapp hat sich etwas einfallen lassen. Er integriert einen Aspekt in das Album, der brandaktuell ist – den Klimaschutz. Die Nautilus wird klimaneutral angetrieben, und alles, was die Besatzung zum Leben braucht, unter ökologischen Aspekten unter Wasser angebaut und verarbeitet. Das farbenfrohe Album hat Carlsen für Leser ab 12 Jahren empfohlen, aber auch älteren Semestern könnte diese, mit vielen Jugendstil-Elementen ausgestattete Nautilus gefallen. Einzig das lieblose Schreibmaschinen-Lettering nervt. Diese Bilder hätten Besseres verdient.

Thilo Krapp, Jules Verne: 20.000 Meilen unter dem Meer
256 Seiten, gebunden, 26,- Euro, Carlsen, ISBN 978-3-551-79358-4
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