Bartleby, der Schreiber + Moby Dick

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Zwei starke Adaptionen von Geschichten des US-Autors Herman Melville (1819 – 1891). In einem Büro an der Wall Street wird ein junger Mann als Schreibhilfe eingestellt. Sein Name ist Bartleby, und als gewissenhafter, strebsamer und unermüdlicher Angestellter ist er beliebt bei Arbeitgeber und Kollegen gleichermaßen. Doch aus heiterem Himmel verweigert Bartleby sich jeder weiteren Arbeit mit der höflichen Begründung: »Ich möchte lieber nicht«. Und er weigert sich nicht nur zu arbeiten, schon bald verlässt er auch das Büro nicht mehr… (Verlagstext).

Warum weigert er sich? Melville schrieb diese Geschichte als eine Art Parabel auf einen expandierenden Kapitalismus, der Menschen lediglich auf ihre gewinnbringenden Funktionen degradiert. So beginnt das Album auch mit einem Auszug aus Henry David Thoreaus Essay Pflicht zum Ungehorsam: Die Masse der Menschen dient dem Staat, nicht jedoch in erster Linie als Menschen, sondern als Maschinen… Bartleby will sich dieser reinen Funktionalität verweigern. Nicht wild und gewalttätig, sondern ruhig, aber entschlossen.

Die grafische Umsetzung übernimmt hier José Luis Munuera, der nicht nur Spirou-Alben bebildert, sondern auch den ebenso schönen wie schaurigen Fantasy Das Zeichen des Mondes in Szene gesetzt hat. Im vorliegenden Album zeigt er wieder seine Vorliebe für großzügige Seitenaufteilungen und große Figuren. Und weil in diesem Album viel spazieren gegangen wird, gibt es auch schöne Stadtansichten von New York. Für Literatur- und Comicfans gleichermaßen interessant.

Top 10 2021  José Luis Munuera, Herman Melville: Bartleby, der Schreiber
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
72 Seiten, gebunden, 18,- Euro, Splitter, ISBN 978-3-96792-168-7
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Melvilles Moby Dick scheint ein Lieblingsbuch von Comiczeichnern zu sein. Es gibt Adaptionen von Pierre Alary, von Christophe Chabouté und – eine ausführlichere – von Isaac Wens. Jetzt also auch Bill Sienkiewicz, und es dürfte keine Überraschung sein, dass das die abgefahrenste von allen ist (wobei die anderen auch nicht schlecht sind). Die Geschichte ist bekannt: Kapitän Ahab jagt den großen Wal, der ihm vor Jahren ein Bein abgebissen hat. Und wo ist hier der Unterschied zu den anderen Adaptionen?

Mit seiner Fassung von Melvilles Meisterwerk »Moby Dick« beweist der legendäre Comic-Künstler Bill Sienkiewicz seinerseits eine unerreichte Meisterschaft der Neunten Kunst. Scheinbar spielerisch oszilliert er zwischen Karikatur und Realismus, zwischen Montagetechnik und Schraffur und verleiht seiner Reduktion des literarischen Stoffes einen unwiderstehlichen Sog. Soweit der Verlagstext, dem man inhaltlich rundum zustimmen kann (von dem verschwenderischen Umgang mit Adjektiven einmal abgesehen).

Wobei der mit diversen Preisen geehrte Sienkiewicz kein Comiczeichner im eigentlichen Sinne ist – er ist mehr Illustrator. So gibt es in diesem Album keinerlei Interaktion zwischen den Figuren, weder Sprechblasen, noch Panels. Es gibt einen erzählenden Fließtext, der in kleinen Happen in, über, unter und zwischen die Illustrationen gelegt wird, mit denen der US-Amerikaner die Geschichte bebildert. Diese Illustrationen sind es, die den Reiz dieses Albums ausmachen. Im Grunde könnten die meisten von ihnen für sich alleine stehen. Klasse konzipiert und stark layoutet, und zusammen mit den anderen Adaptionen ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich man literarische Vorlagen grafisch interpretieren kann, ohne dass eine schlechter wäre als die andere.

Bill Sienkiewicz, Herman Melville: Moby Dick
Aus dem amerikanischen Englisch von Gerlinde Althoff
48 Seiten, gebunden, 16,- Euro, Splitter, ISBN 978-3-96792-167-0
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