
Verlagstext: Für einen 13-Jährigen ist Antoine noch recht kindlich und verträumt. Mit seiner Familie verbringt er die Sommerferien wie jedes Jahr am Meer, als überraschend Besuch auftaucht: eine Freundin der Mutter und ihre Tochter Hélène. Hélène ist 16, sie ist schön, geheimnisvoll und behandelt den Jungen nicht mit der Herablassung der Älteren, sondern nimmt ihn freundschaftlich unter ihre Fittiche, verführt ihn zur ersten Zigarette, zum ersten Rausch und schließlich zum ersten Kuss. Hélène weckt seine sexuelle Begierde und ist gleichsam wie eine Schwester, mit der Antoine und sein kleiner Bruder Momente kindlicher Verschworenheit verleben. Als sie nach einer Woche Abschied nimmt, hat sie Antoine sanft aus seiner Kindheit gelöst.
Soweit die Story. Mit der Umsetzung der Geschichte beweist Bastien Viès, von dem mich vor allem seine Alben Polina und In meinen Augen begeistert haben, wieder einmal seine Vielseitigkeit – und nicht zuletzt sein Einfühlungsvermögen in Entwicklungen und Atmosphären, die eher hingehaucht daherkommen. Man könnte auch sagen: Ein Porzellanladen – und weit und breit kein Elefant.
Es sind die ersten erotischen Annäherungen, die Vivès hier beschreibt. Die Neugier, die Unsicherheit, die Zartheit, die Scheu, die Unschuld, das Spiel, die Verführung, die Leichtigkeit, die Angst und die Verwirrung – all das, was die Hormone in der Pubertät Karussell fahren lässt, ohne dass man wirklich versteht, was gerade mit einem passiert – all das tupft Vivès hier gefühlvoll auf die Seiten. Vom Zeichenstil her ähnlich wie Polina, nur heller und luftiger, atmosphärisch eine Mischung aus Blankets, Auf nach Matha und Ein Sommer am See. Und: Endlich mal ein Vivès in Hardcover.

Bastien Vivès: Eine Schwester
216 Seiten, monochrom, HC, 24,- Euro, Reprodukt, ISBN 9783956401442
> Leseprobe
„Ein Porzellanladen – und weit und breit kein Elefant.“ Danke, dieser wunderschöne Satz hat mir den Abend noch zusätzlich versüßt. Chapeau!
Danke für die Blumen. Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Er ist nicht von mir. Ich habe ihn so oder ähnlich vor 40 Jahren gelesen, in einer Rezension (ich glaube in der „Sounds“) in der „Wet Dream“ besprochen wurde – das erste Soloalbum des verstorbenen Pink Floyd-Keyboarders Rick Wright. Ich fand den Satz damals so schön und so treffend für die LP, dass er mir nicht aus dem Kopf gegangen und wieder eingefallen ist, als ich den Comic von Viès gelesen habe. Denn auch dazu passt er wunderbar. Was lernen wir daraus? Wir müssen alle irgendwann sterben – aber ein guter Aphorismus bleibt. 🙂
😉