Shutter Island

Es gibt philosophische Sätze, die kennt jeder. Zum Beispiel diesen des asiatischen Philosophen Dschuang Dschou: „Bin ich ein Mensch der geträumt hat, ein Schmetterling zu sein, oder bin ich in Wirklichkeit ein Schmetterling, der geträumt hat ein Mensch zu sein?“ Dieses Paradoxon gibt es auch in der Psychoanalyse. Da klingt es so, wie Dr. Cawley es in Shutter Island formuliert: „Wenn Sie überzeugt sind, dass Sie allein die Wahrheit kennen, dann müssen alle anderen lügen.“

Tun sie das? Es scheint so. Jedenfalls haben die beiden US Marshals Teddy Daniels und Chuck Aule das Gefühl, von vorne bis hinten verarscht zu werden, als sie in der geschlossenen Anstalt eintreffen, in der gewalttätige Geisteskranke inhaftiert sind. Eine Gefangene ist ausgebrochen. Allerdings kann sich das so, wie die Anstaltsleitung den Marshals den Hergang schildert, niemals zugetragen haben, denn die Gefangene befand sich in einem von außen verschlossenen Raum, den sie nur durch die verschlossene Tür hätte verlassen können. Dann hätte sie durch einen von einem Wächter streng bewachten Gang spazieren und einen Aufenthaltsraum voller Pflegepersonal passieren müssen. Hat sie aber nicht. Zumindest hat sie angeblich niemand dabei gesehen. Was also geht hier ab?

Dennis Lehanes Roman Shutter Island wurde von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle verfilmt. In diesem Monat erschien die Kinoversion auf DVD und Blu-Ray. Die Comicadaption von Christian De Metter hat Schreiber & Leser in der neuen „Noir-Reihe“ publiziert – und da passt sie auch hin. Die in braun-grünen Aquarellfarben gezeichnete Geschichte transportiert die düstere, hoffnungslose Welt, in der am Ende das Surreale immer mehr in die Wirklichkeit drängt, sehr authentisch. Eine intellektuelle Geisterbahnfahrt, in der bald nur noch schwer auseinander zu halten ist, was Verdrängung der Vergangenheit, und was Manipulationen der Gegenwart zur Verschleierung der Vergangenheit ist. Und ein gelungenes Beispiel dafür, dass man das gleiche Thema mit drei sehr unterschiedlichen Medien (Buch, Film, Comic) kommunizieren, und jede der Adaptionen ein eigenständiges, rundum überzeugendes Kunstwerk sein kann.

Christian De Metter, Dennis Lehane: Shutter Island
128 Seiten, 17,80 Euro, Schreiber & Leser, ISBN 978-3-941239-43-2
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